„Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen.“

Created by Dr. Sabine Kempf | | Nachrichten

Eva Umlauf, Überlebende des Holocaust, berichtet am Vikilu über ihre Erinnerungen in Gedenken an den 27. Januar – Jahrestag der Befreiung von Auschwitz.

In Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer Stiftung brachte Eva Umlauf in einem Online-Zeitzeugengespräch Schülerinnen und Schülern des Abiturjahrgangs ihre Erlebnisse in Auschwitz, die ihren gesamten späteren Lebensweg prägten, näher.

Im Oktober 1942 wurden die Eltern von Eva Umlauf in eines der drei Zwangsarbeitslager in der Slowakei deportiert – sie selbst wurde hier im Dezember 1942 als erste von fünf weiteren Kindern geboren: „Eine Zeit von Leben in einer Zeit des Todes“.

Mit einem der letzten Transporte kam Eva Umlauf am 2. November 1944 nach Auschwitz – gleichzeitig war es der erste Transport, dessen Insassen nicht in den Gaskammern getötet wurden. Ende Januar 1945 war bereits das Näherrücken der Roten Armee zu hören.

Bei der Ankunft in Auschwitz erhielt sie die Nummer A2…9 – bis heute habe sie diese nicht wegtätowieren lassen, um die Zusammengehörigkeit zu ihrer Mutter A2…8 zu bekunden. Für Eva Umlauf hat die Zahl zwei Bedeutungen: Lebensnehmung und Lebensbejahung.

Die Mutter, im vierten Monat schwanger, überlebte als einzige der Familie - in der Tschechoslowakei wurden alle Verwandten getötet - der Vater verstarb auf einem Todesmarsch nach Mauthausen in das Nebenlager Melk. Mit 21 Jahren war ihre Mutter Witwe, alleine mit zwei Kindern.

Lange Zeit verdrängte Eva Umlauf die damaligen Erlebnisse. In München ist sie als Mutter von drei Söhnen als Kinderärztin und Psychotherapeutin erfolgreich. Erst 2014, nach Überstehen einer schweren Krankheit, sah sie es als ihre Aufgabe an, ein Buch über die damalige Zeit, die ihren gesamten Lebensweg prägte, zu schreiben. Auch fühlte sie sich lange noch nicht „reif“ für eine Konfrontation mit der Geschichte – den vielen Toten.

Eva Umlauf berichtet von ihrer Mutter, die nach der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945, völlig auf sich allein gestellt, noch ein anderes kleines Kind, Tommy, unter ihre Obhut nahm. Er hatte beide Eltern verloren. Zu gern hätte den kleinen blond gelockten Jungen eine russische Krankenschwester zu sich genommen. Doch ihre Mutter wehrte sich vehement dagegen, in der Hoffnung, noch Verwandte zu finden – tatsächlich wurde über das Rote Kreuz ein Onkel ermittelt, der ihn zu sich holte. Heute lebt Tommy in den USA, Portland, als Professor für Ökonomie. Bei ihm ist bis heute der Marsch mit ihrer Mutter in traumatischer Erinnerung – nie wieder möchte er zurück nach Auschwitz.

Um der roten Diktatur in der Tschechoslowakei zu entfliehen, ging Eva Umlauf, inzwischen verheiratet, mit ihrer Familie 1967 nach München. Ihre Mutter führte dort ein scheinbar normales Leben, sie „funktionierte“. Dennoch leidet sie nach der Zeit in Auschwitz zeitlebens an einer Immunschwäche und hat nach dem Beginn ihrer Rente tiefe Depressionen. Für Eva Umlauf ist es ganz typisch, dass ihre Mutter nur auf Nachfrage über die Vergangenheit spricht: „Die erste Generation muss sich schützen, die zweite Generation erinnert.“

Eine Schülerin fragt nach, ob sie denn nicht selbst Alpträume gehabt habe. Für Eva Umlauf sei dies in der Kindheit nicht der Fall gewesen, wohl aber in „ungeschützten“ Situationen, so z.B. als sie mit ihrem dritten Kind schwanger gewesen sei.

Auf die Frage eines Schülers, ob sie jemals wieder in Auschwitz gewesen sei und was sie vor Ort empfunden habe, antwortet Eva Umlauf, dass dies in den 1990er Jahren der Fall war. Es sei ein Ort, an dem man die Toten spüre – leer, kalt „von innen und von außen“.

Schließend möchte eine Schülerin wissen, wie es möglich gewesen sei, in den 1960er Jahren in das „Land der Täter“ zurückzukehren. Hier verweist Eva Umlauf auf die Möglichkeit, in Deutschland – im Gegensatz zur Tschechoslowakei – ein freies jüdisches Leben, sowohl religiös als auch kulturell, führen zu können. Auch war damals innerhalb der jungen Generation kein Antisemitismus spürbar.

Heute müssen Synagogen durch die Polizei geschützt werden. Deshalb appelliert Eva Umlauf an die Schülerschaft, sich gegen Antisemitismus einzusetzen und „auf die Demokratie aufzupassen.“