Von einem gesonderten Unterricht für Mädchen haben wir in Hameln zum ersten Mal aus dem 18. Jahrhundert Nachrichten. Der Unterricht wurde damals von den Küstern der Kirchengemeinden erteilt. 1774 und nochmals 1802 wird er dem Küster Bode zugewiesen. Am 3. Mai 1790 wurde auf Veranlassung des Bergkommissars Westrumb und mit Beihilfe des Ratsschultheißen Lüder und der Pastoren Gumbrecht und Evers eine "Neue Töchterschule" gegründet. Diese Schule mußte allerdings infolge der wirtschaftlichen Notlage im Jahre 1812 schließen. Den Schülerinnen blieb nur die normale Stadttöchterschule; für die Fortgeschrittenen wurde allerdings bald eine "1. Klasse" eingerichtet, die zunächst im Erdgeschoß der Knabenschule an der Südseite des Münsters untergebracht war und danach in das Primariatspfarrhaus am Münster umzog. Daneben gab es in dieser Zeit die private "Töchterschule" der Lehrerin Justine Rothermund (1800-1833). Senior Franz Georg Ferdinand Schläger, seit 1822 Leitender Geistlicher in Hameln und Herausgeber der "Hamelschen Anzeigen", rief in seinem Blatt am 11. September 1823 zur Gründung einer neuen Töchterschule auf, die am 26. April 1824 den Unterrichtsbetrieb aufnahm. Sie wurde zunächst von seinem Amtskollegen Friedrich Sprenger (geb. 1792), dann nach dessen Tod am 26.01.1836 von ihm selbst geleitet.

Hier sein Aufruf:

Eine höhere Töchterschule betreffend.Da man eine Erweiterung des Planes unserer Mädchenschulen beabsichtigt und durch einen umfassenderen Unterricht, als er bisher in den öffentlichen Anstalten gegeben werden konnte, auch die höheren Bedürfnisse des weiblichen Geschlechts zu berücksichtigen wünsche, der Plan dazu aber erst dann entworfen werden kann, wenn die Zahl der Töchter, die eine höhere Bildung suchen, groß genug ist: so erlaube ich mir im Voraus deshalb eine Anfrage, ob man eine höhere Stadt-Töchterschule überhaupt wünscht; ob man geneigt ist, für den Unterricht in der 3ten Classe 6 R[eichs]th[a]l[e]r zu geben. Ich ersuche alle Aeltern, auf welche sich diese Anzeige bezieht, mir ihre Erklärungen spätestens binnen 14 Tagen zu eröffnen. Obgleich ich den Plan selbst demnächst erst mitteilen kann: so bemerke ich doch vorläufig, daß die Töchter, welche sich zu jenen Bedingungen verstehen, in ihren jetzigen Classen bleiben, aber Ergänzungsstunden erhalten, daß für die erste Classe ein neuer Lehrer herbeygeschafft werden, wie auch eine geschickte und gesetzte Lehrerinn in den 3 Classen den Unterricht in den weiblichen Handarbeiten besorgen würde, sobald eine Einnahme zu erwarten ist, welche der notwendigen Ausgabe entspricht.

Hameln, den 11. Sept. 1823

Schläger

(Hamelnsche Anzeigen Nr. 32, 14.09.1823, S. 162)

Im Oktober 1827 ging die Schule der Frau Rothermund in der Schlägerschen Anstalt auf. Justine Rothermund wurde in dem mit Schläger und Sprenger geschlossenen Vertrag als Hauptlehrerin der neuen Anstalt übernommen. Nachfolger Schlägers als Schulleiter wurde Ostern 1857 der zweite Stadtprediger Wellhausen. Ein Konflikt Wellhausens über das angesparte Kapital der Schule mit dem Lehrerkollegium führte 1858 zur Entlassung von vier Lehrkräften. Diese fassten daraufhin den Plan, ein Konkurrenzinstitut zu gründen. Schließlich griff die Stadt Hameln ein, was das Ende der Mädchenschule in kirchlicher Hand bedeutete.

Am 1. Oktober 1859 wurde die "höhere Töchterschule" von der Stadt Hameln übernommen. Dieses Datum gilt seither als Gründungstag unseres Gymnasiums, wenn sich das Gebäude damals auch noch auf dem Münsterkirchhof befand. Erster Schulleiter, noch mit dem Titel "Schulinspektor", wurde Pastor Hermann Müller, der ? nicht aus Hameln kommend ? an dem Streit ganz unbeteiligt war. Ziemlich schnell waren die Räume am Münsterkirchhof zu klein geworden, und man zog in die Bäckerstraße in den heutigen Rattenkrug. Bereits 1861 reichten auch diese vorhandenen Räume nicht mehr aus, und man wich in ein Gebäude in der Bungelosenstraße aus, das heute nicht mehr steht. Die Zahl der Schülerinnen wuchs von 1859 bis 1899 von 59 auf 178, 1861 wurden nur noch hauptamtliche Lehrkräfte beschäftigt, 1865/66 wurde die 3. Klasse geteilt und 1872 wurde die 5. Klasse hinzugefügt. 1873/74 wurde der Schulbesuch auf sechs Jahre erweitert. 1874 wurde die Schule, die seit ihrer Gründung ein Vermögen von 22.000 Mark angesammelt hatte, in städtische Verwaltung übernommen.